OEM & Lieferant Ausgabe 1/2022

56 Dienstleistungen Softwaregetriebene Transformation wird zum Wettbewerbsfaktor Von Ralf Blessmann, Leiter des Automotive-Sektors bei Capgemini in Deutschland Automobilhersteller, die Software in allen Bereichen von der Produktion bis zumConnected Service optimal nutzen, werden großeWettbewerbsvorteile generieren. Noch können das aber nur wenige. Eine neue Studie von Capgemini analysiert den Reifegrad der Branche und stellt einen Sechs-Punkte-Plan auf. Die Automobilindustrie arbeitet seit Jahrzehnten mit Software und Informationstechnologie, z. B. in Form von Steuerungssystemen für die Produktion, Entwicklung, Finanzbuchhaltung oder im Bereich HR. Computergestütztes Design (CAD) und Engineering sowie Tests mit virtuellen und erweiterten Realitäten sind Industriestandards. Auch im Fahrzeug kommt Software vermehrt zum Einsatz. Dieser Trend wird sich for tsetzen, sodass Sof tware immer mehr Bereiche vom Fahrzeug selbst über Organisationsstrukturen, Prozesse und Methoden bis zu Werkzeugen bestimmen wird. Diese sogenannte sof twaregetriebene Transformation birgt Chancen, aber auch Risiken. Eins davon ist, abgehängt zu werden, wenn der Sprung ins Softwarezeitalter nicht gelingt. Eine aktuelle Studie des Capgemini Research Institute hat untersucht, wie weit Automobilhersteller (OEMs) weltweit bei dieser Transformation vorangekommen sind.1) Die meisten OEMs haben gerade erst begonnen Die Analyse ergab, dass sich 71 Prozent der OEMs in der Anfangsphase ihrer Transformation befinden. Nur 15 Prozent haben bereits den notwendigen Reifegrad, um den Wandel anzugehen. Es sind auch genau diese, die die Transformation für einen wichtigen wirtschaftlichen Faktor halten, denn sie gehen davon aus, dass der durch Software erzielte Umsatz bis 2031 28 Prozent ihres Gesamtumsatzes ausmachen wird. Der Wandel zum softwaregetriebenen OEM erfordert besondere Fähigkeiten und die Beherrschung bestimmter Technologien. Der Aufwand wird sich aber positiv auf viele Unternehmensbereiche auswirken: Laut der Studie können OEMs in den nächsten fünf Jahren mit Software Produktivitätssteigerungen um bis zu 40 Prozent, Kostensenkungen um 37 Prozent und eine Erhöhung der Kundenzufriedenheit um 23 Prozent erreichen. Die Zutaten für eine erfolgreiche Transformation Um diese Vorteile zu realisieren, müssen OEMs traditionelle Fahrzeugarchitekturen hinter sich lassen. Derzeit nutzen noch 93 Prozent eine solche. Das führt z. B. zu ineffizienten Verfahren bei Over-the-Air (OTA)- Updates und kann das Innovationstempo bremsen. Wie die Studie zeigt, planen aber nur 13 Prozent, die Hard- und Softwarearchitektur zu entkoppeln und nur wenige OEMs sind derzeit in der Lage, OTA-Updates durchzuführen. Automobilmanager erwarten aber, dass sich der Anteil neuer Fahrzeuge mit OTA-Updates und vernetzten Diensten in den nächsten fünf Jahren verdreifachen wird. Herausforderung Datennutzung und Cybersicherheit OEMs müssen strategische Par tnerschaften mit Software- und Technologiedienstleistern eingehen und das eigene IT-Know-how ausbauen, damit sie Architekturen standardisieren und die Erfassung, Nutzung und Verarbeitung von Fahrzeug- und Verbraucherdaten vorantreiben können. Denn damit hat die Hälfte der OEMs Schwierigkeiten. Insbesondere Fahrzeugdaten lassen viele noch links liegen, trotz des großen Potenzials, mit ihrer Hilfe intelligente Services zu entwickeln. Auch Cybersicherheit bereitet Probleme: Weniger als 10 Prozent glauben, dass sie gut auf die Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen vorbereitet sind. 60 Prozent haben Schwierigkeiten, dafür zu sorgen, dass die Produkte von Zulieferern den Sicherheitsvorschriften entsprechen. Sechs-Punkte-Plan strukturiert den Wandel Die Herausforderungen sind vielfältig. Ein Sechs-Punkte-Plan kann OEMs beim Wandel unterstützen: 1. Aufbau einer softwareorientierten Vision und Strategie für das Unternehmen 2. Nutzung von Software-Toolketten und agilen Methoden, um die Zusammenarbeit zwischen den Organisationseinheiten zu verbessern 3. A ufbau langfristiger, strategischer Partnerschaften mit Software-, Technologie- und Serviceanbietern für wichtige Soft- waretrends 4. S treben nach Softwareexzellenz durch Aufbau und Bindung von Sof tware- experten 5. N utzung von Daten, um intelligente Fahrzeuge, intelligente Fertigung und intelligente Dienste zu ermöglichen 6. Definition eines Fahrplans für eine standardisierte Fahrzeugsoftwarearchitektur Software wird Mobilität neu definieren und die gesamte automobile Wertschöpfungskette verändern. Der Wettbewerb wird zweifellos im Fahrzeug stattfinden, die Transformation aber weit darüber hinaus gehen. OEMs, die ihr Geschäft erfolgreich ausbauen und das Unternehmen zukunftssicher machen wollen, müssen internationaler denken und dabei ihrem Betriebsmodell ebenso viel Aufmerksamkeit schenken wie der Softwareentwicklung. 1) Next Destination: Software – How automotive OEMs can harness the potential of softwaredriven transformation, Capgemini Research Institute, 2021 Capgemini www.capgemini.com/de-de Teilen

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